Das Dilemma von Journalismus und PR 2020

Wir haben ein Problem. Bald lassen sich PR, Journalismus und Werbung nicht mehr unterscheiden. Und das alles nur, weil die Verlage die Digitalisierung und damit auch ihre Zukunft verpasst und vermasselt haben.

Gut, das klingt sehr pauschal und ist auch eher provokativ gemeint. Aber ich sehe mich dieser Tage sehr deutlich mit folgendem Dilemma konfrontiert: ich bin Kommunikationsberaterin, PR-Beraterin und freie Journalistin. Eine Kombi, die mittlerweile recht häufig geworden ist, aus meiner Wahrnehmung jedenfalls. Zu Zeiten meiner Ausbildung zur TV Autorin wäre es undenkbar gewesen, Journalismus und PR in einem Satz zu nennen. Mit spitzen Fingern hätte jeder Deine Visitenkarte fallen lassen. Iiiiih, du machst also Werbung für Unternehmen, die ja eh nur lügen.

Die Wahrheit ist in meinem speziellen Fall aber, dass ich nur für Kunden arbeite, deren Integrität und Ansinnen ich mir sehr genau anschaue. Und ich werde nur dann für sie tätig, wenn ich einen nachvollziehbaren Nutzen in ihrem unternehmerischen Handeln erkenne. Sie machen Produkte in Bio statt konventionell. Sie retten Lebensmittel vor der Verschwendung, sie verlegen Bücher über Diversität oder bieten sinnvolle Dinge, die das Leben ein bißchen umweltfreundlicher, bewusster machen. Oder sie beschäftigen sich mit Regionalentwicklung und tun ihren Nachbarn was Gutes.

Klingt super, aber sobald ich das Thema den Medienschaffenden oder den Verlagen anbiete, dann wittern sie profitorientierte Firmen, die kostenlose Werbung von sich wollen und versuchen, dies mit PR zu bekommen. Das geht natürlich nicht, die sollen doch bitte Anzeigen schalten. Das können sich diejenigen aber nicht leisten, die integer agieren in ihrem Wirtschaften. Ich weiß gar nicht, ob meine Emails überhaupt gelesen werden von manch Journalistem über 50 oder von Chefredakteur*innen vom alten Schlag. Emails von PR-Agenturen werden da häufig als störend empfunden, statt sie als das zu sehen, was sie sind: Impulse für gute Geschichten.

Also greifen “wir” häufig auf Blogger und Influencer zurück, die tolle Artikel schreiben (natürlich mit Werbekennzeichnung) und sich sogar freuen, dass ich ihnen Themenimpulse gebe. Die sie dann in 90% der Fälle überprüfen, auseinandernehmen, bewerten und nur dann schreiben, wenn ihnen das wasserdicht erscheint. Denn auch hier schaue ich mir genau an, mit wem ich arbeite und überlege, warum ich das tue.

In der großen Welt des seriösen Journalismus müssen Verlage nun ihre besten Journalist*innen entlassen oder stellen sie gar nicht erst ein. Die besten sind übrigens die, die über den Tellerrand schauen und nicht vor jeder Presseinfo angeekelt davon laufen. Sie sind interessanterweise SEHR häufig weiblich und unter 50 Jahre alt. Und diese Journalist*innen werden zu Content Lieferanti*nnen, müssen “Corporate werden”, bieten Social Media Leistungen an. Denn: am schlechtesten werden sie von den Magazinen und Tageszeitungen bezahlt, für die sie noch schreiben, weil sie deren Reputation nicht missen wollen und auch noch an den “echten Journalismus” glauben. Finanzieren müssen sie sicher aber durch die Wirtschaft. Und auch hier eher nicht durch die “Guten”, denn die machen ja wegen der mangelnden Publicity keine Riesenumsätze.

Daher frage ich mich: wie sieht das in Zukunft aus mit dem Journalismus, der Werbung, der PR? Wer glaubt wem was und wie gehen wir mit der (angeblichen) Trennung von Werbung und Redaktion um? Aktuell plane ich einfach ein eigenes Magazin. So wie das in den 90ern in Berlin viele taten, weil sie einfach wollten, dass man mal über das schreibt, was gerade wichtig ist.